Der Bayerische Jugendring setzt sich seit Jahren für das Wohl von geflüchteten Kindern und Jugendlichen ein. Insbesondere seit 2015 hat sich der BJR vielfach positioniert und Maßnahmen in Projekten ergriffen.
Beispielhaft seien hier folgende Positionspapiere genannt:
Auch in dieser Position sollen v.a. Mädchen und Frauen im Fokus stehen. Grundlage dieses Papiers ist ein Fachgespräch mit Expertinnen am 29.07.2021, organisiert von der AG Flucht, der Kommission Jugend in der Migrationsgesellschaft und der Kommission Mädchen- und Frauenarbeit des BJR.
Junge Geflüchtete – ob unbegleitet oder begleitet, egal welchen Geschlechts – sind eine besonders vulnerable Gruppe. Flucht wird in der Öffentlichkeit oft als männlich wahrgenommen, dabei sind 50% der Flüchtenden Frauen.1
Bei Mädchen und jungen Frauen gibt es die Gefahr einer Mehrfachdiskriminierung: Viele machen in ihren Herkunftsländern aufgrund ihres Geschlechts schwerwiegende Erfahrungen, die auch der Grund für ihre Flucht sein können. Diese reichen von politischer Verfolgung und struktureller Diskriminierung bis hin zu sexualisierter Gewalt, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung.2 Diese geschlechtsspezifische Gewalt kann sich auf der Flucht weiter fortsetzen. Auch nach der Ankunft in Deutschland machen sie teils traumatisierende Erfahrungen und sind von sexueller Belästigung und Gewalt bedroht, insbesondere in größeren Gemeinschaftsunterkünften. Der Zugang zur Aufnahmegesellschaft ist für sie häufig noch schwierigerer als für Jungen und junge Männer. Die Erwartungen, die ihre Familie und die Gesellschaft im Ankunftsland in sie setzen, sind oft vielschichtig und konträr, was zu einer hohen psychischen Belastung führen kann.
Deshalb fordern wir:
Viele (Gemeinschafts-)Unterkünfte bieten immer noch keine Privatsphäre, keine Schutzräume und keine Sicherheit für Mädchen und Frauen. Sie sind (sexuellen) Belästigungen, Übergriffen und Gewalttaten durch Mitbewohner:innen, Sicherheitspersonal und Menschen, die privaten Wohnraum zur Verfügung stellen, oftmals schutzlos ausgeliefert.
Deshalb fordern wir:
Immer noch sind Frauen in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass sie weitaus öfter im Niedriglohnsektor beschäftigt sind als Männer. Für geflüchtete Frauen gilt das in besonderem Maße.
Ein Grund hierfür ist, dass Frauen oftmals unterschätzt werden. Mädchen und Frauen mit Fluchthintergrund haben häufig hohe Bildungsaspirationen, besonders, wenn sie aus Ländern kommen, in denen ihnen Bildung verwehrt wurde. Insbesondere bei Erstberatungen werden ihre Ambitionen allerdings häufig nicht ernst genommen, und sie werden über Bildungswege und Ausbildungsmöglichkeiten falsch beraten. Dies erschwert und verlängert ihren Bildungsweg und macht es ihnen teilweise unmöglich, ihre eigentlichen Ziele zu erreichen. Ebenso können falsche oder fehlende Übersetzungen zu Umwegen in der Ausbildung führen. Auch fehlende Betreuungsangebote für Kinder können ein Hinderungsgrund für junge Frauen sein, höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen.
Deshalb fordern wir:
Auf jungen Frauen liegt oft ein immenser Druck: Wie oben geschildert, streben viele eine gute Bildung und Arbeit an, auch zur finanziellen Unterstützung der Familie. Zusätzlich fällt Töchtern häufig die Care Arbeit für Kinder, Eltern und Geschwister zu, und sie werden z.B. zum Dolmetschen für ihre Eltern eingespannt. Außerdem gilt es, familiäre und gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen. Der Druck, sowohl berufliche Ziele zu erreichen als auch eine Familie zu gründen, vergrößert sich für viele junge geflüchtete Frauen noch dadurch, dass sich ihre Ausbildungszeit aufgrund der Flucht nach hinten verschiebt.
All dies führt häufig zu psychischen Belastungen, insbesondere in Kombination mit den auf der Flucht und nach der Ankunft in Deutschland erlebten Traumata.
Deshalb fordern wir:
Jugendarbeit kann als bestärkende Instanz eine besondere Rolle für das Ankommen und die Entwicklung geflüchteter Mädchen spielen. Hier kann individuell auf sie eingegangen werden und sie können Selbstwirksamkeit erfahren. Durch Selbstorganisation können sie in der Jugendarbeit ihren Themen Gehör verschaffen, ihre Interessen einbringen und auf Gleichgesinnte treffen. Dennoch sind sie oftmals noch wenig in der Jugendarbeit vertreten. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Vielleicht fehlt Wissen über Angebote der Jugendarbeit, oder Eltern stehen Angeboten skeptisch gegenüber, vielleicht fehlen finanzielle Ressourcen oder passende Angebote in der Nähe.
Deshalb fordern wir:
1 The UN Refugee Agency (2019): Global Trends forced Displacement 2018.Hg.v.the UN Refugee Agency. The UN Agency, S. 61.
2 Viele Betroffene empfinden den Begriff „Genitalverstümmelung“ als stigmatisierend und bezeichnen sich selbst als beschnitten. Der Begriff FGM/C (female genitale mutilation/cutting) versucht kritisch-reflektiert und antirassistisch heranzugehen und den Diskurs in Richtung Gewalt gegen Frauen und somit Menschenrechte zu verschieben. Allerdings besteht in der deutschen Übersetzung „Beschneidung“ eine Vergleichbarkeit mit männlicher Beschneidung und wirkt so als verharmlosender Euphemismus.