21.10.2023

Kinder und Jugendliche im Internet schützen! Kinder- und Datenschutz gemeinsam denken

2021 wurden weltweit über 85 Millionen Bilder und Videos mit Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch gemeldet. Über 60% des weltweiten Materials über sexuellen Kindesmissbrauch werden auf EU-Servern gehostet und die EU-Mitgliedstaaten gehören zu den zehn weltweit führenden Hosting-Ländern.

Europa ist somit mittlerweile Drehkreuz für den Handel mit Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geworden.[1] Darauf hat die EU Kommission nun reagiert und eine Rechtsvorschrift zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet[2] vorgelegt. Dieser nimmt Anbieter, die ihre Dienste in der EU anbieten – unabhängig von ihrem Niederlassungsort – in die Pflicht, altes und neues Material über sexuellen Kindesmissbrauch (CSAM – Child Sexual Abuse Material) sowie die Kontaktaufnahme (grooming) aufzudecken, zu melden und zu entfernen. Zudem werden die Dienstanbieter verpflichtet, den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten und die Überprüfung anonym durchzuführen.

Der BJR vertritt die Interessen von Kindern und Jugendlichen, ihrer Rechte und ihres Schutzes. Er ist auch Vorreiter in der digitalen Jugendarbeit mit dem Projekt „Digital Streetwork Bayern“ sowie in der Prävention sexualisierter Gewalt in der Kinder- und Jugendarbeit mit der Fachberatung Prätect. Kinder und Jugendliche wünschen sich einen digitalen Raum, in dem sie geschützt kommunizieren können. Für ihre gelingende Entwicklung sind das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Information ebenso unentbehrlich wie der Schutz vor Missbrauch und Gewalt. Deswegen wendet sich die Vollversammlung des BJR an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die deutsche Bundesregierung:

Wir fordern:

  • Der Schutz von Kinderrechten und die Gewährleistung von Privatsphäre schließen sich nicht aus. Auch die notwendige Technologie muss so gestaltet werden, dass Privatsphäre, Daten und Kinderrechte geschützt werden. Deshalb fordern wir, dass Daten- und Kinderschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern beides gleichwertig zu betrachten.
  • Wir unterstützen, dass Anbieter in die Pflicht genommen werden und eine Meldepflicht erhalten. Denn es hat sich bis jetzt gezeigt, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht.
  • Wir fordern, dass nur Technologien eingesetzt werden, die keine anderen bzw. weiteren Informationen und Daten extrahieren als die, die zur Aufdeckung des Missbrauchs unbedingt erforderlich sind. Anonyme und geschützte Kommunikation muss weiterhin möglich sein.
  • Wir fordern, strenge Vorkehrungen zu treffen, um den Missbrauch der Erkennungstechnologie zu verhindern. Gleichzeitig sollen Anbieter in die Pflicht genommen werden, die Grundrechte aller Nutzer:innen einzuhalten und nur Technologien einzusetzen, die nicht in die Privatsphäre eingreifen und dafür sorgen, dass die Fehlerquote falsch positiver Ergebnisse so gering wie möglich ist.
  • Wir fordern, dass die Umsetzung und Maßnahmen der Rechtsvorschrift technologieneutral bleiben, um zukunftsorientiert zu handeln und Anreize für Innovation zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft die passendsten Technologien, die Daten und Kinderrechte schützen, eingesetzt werden können.
  • Die Rechtsvorschrift muss alle Kinder und Jugendlichen beschützen und sollte einen besonderen Fokus auf vulnerable Kinder und Jugendliche legen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss hierbei in der Regel auch gegenüber den Strafverfolgungsinteressen (Beweissicherung) überwiegen. Hierbei ist sicherzustellen, dass Kinderrechte-verletzende Inhalte nicht öffentlich abrufbar sind.
  • Zusätzlich zu der geplanten Rechtsvorschrift fordern wir umfassende ergänzende Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise Sensibilisierungsaktivitäten zur Unterstützung und Wissensvermittlung für Eltern, Kinder und Jugendliche, Aufklärung für Kinder, Jugendliche, Eltern und Fachkräfte der Jugendarbeit sowie Lehrkräfte zum Thema Online-Sicherheit sowie alle anderen evidenzbasierten Präventionsmaßnahmen[3]. Auch muss die Forschung zu dieser Thematik intensiviert werden, um durch wissenschaftlich abgesicherte Daten und Fakten eine zuverlässige Grundlage für zukünftige Entscheidungen zu schaffen.

Bei den anstehenden Verhandlungen und der Diskussion über Rechte und Freiheiten muss das Recht jedes Kindes und jungen Menschen auf Schutz vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch ebenso wie das Recht auf Privatsphäre an erster Stelle stehen. Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf, sich für den Schutz und die Rechte von Kindern und Jugendlichen einzusetzen und dabei aber Kinder- und Datenschutz nicht als Gegensatz wahrzunehmen, sondern als ganzheitlichen Lösungsansatz.

 

[1] Europäische Kommission: Rechtsvorschriften zur Prävention und Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch. https://home-affairs.ec.europa.eu/whats-new/communication-campaigns/legislation-prevent-and-combat-child-sexual-abuse_de

[2] Europäische Kommission (2022): Kampf gegen Kindesmissbrauch: Kommission präsentiert Gesetzesvorschlag zum Schutz von Kindern. www.ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_2976

[3] Bayerischer Jugendring (2013): Gesamtkonzept zum präventiven Jugendschutz in der Kinder- und Jugendarbeit. https://shop.bjr.de/positionen/24/gesamtkonzept-zum-praeventiven-jugendschutz-in-der-kinder-und-jugendarbeit

Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter