22.10.2023

Jugendarbeit muss bedarfsgerecht ausgestattet werden – auf allen Ebenen

Die BJR-Vollversammlung fordert, u.a. in der Ausstattung des Kinder- und Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung für den Doppelhaushalt 2024/2025 die tariflichen Steigerungen als auch die Inflation zu berücksichtigen, was zusammen mit den neu hinzugekommenen Aufgaben in der Förderung durch den BJR einen Aufwuchs um mindestens 5 Mio. Euro gegenüber dem Budget von 2023 erfordert.

Die bedarfsgerechte Ausstattung der Jugendarbeit ist eine Pflichtaufgabe und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Nach § 11 SGB VIII sind jungen Menschen die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Für die kommunale Ebene besteht somit eine objektive Verpflichtung für den öffentlichen Träger der Jugendhilfe, Angebote der Jugendarbeit vorzuhalten bzw. zu finanzieren, wobei die Art und Höhe der Förderung im Ermessen des öffentlichen Trägers liegt und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt (§ 74 (3) SGB VIII). § 12 SGB VIII enthält Regelungen speziell zur verbandlichen Jugendarbeit. Hier wird der öffentliche Träger der Jugendhilfe dazu verpflichtet, Jugendverbände und Jugendgruppen zu fördern.

In Art.32 AGSG Bayern wird der Bayerische Jugendring (BJR) mit der Aufgabe der Förderung der Jugendarbeit betraut. Er soll sich für die Schaffung und Erhaltung positiver Lebensgrundlagen für junge Menschen einsetzen und erhält dafür regelmäßige staatliche Zuwendungen aus dem Staatshaushalt. Auf Bundesebene erfolgt die Finanzierung der Jugendarbeit im Wesentlichen über den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP), der unter anderem für die Förderung bundeszentraler Strukturen von Jugendorganisationen, Modellvorhaben, Projekte, die internationale Jugendarbeit und den Fachkräfteaustausch maßgeblich ist. Daneben sind noch weitere Bundesmittel von Bedeutung, wie z.B. die Finanzierung der Freiwilligendienste.

Starke hauptamtliche Strukturen sind die Basis für ein breites ehrenamtliches Engagement junger Menschen. Hier lernen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Verantwortung zu übernehmen: für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen, für ihren Verein, ihren Jugendring oder ihre Einrichtung und damit schließlich auch für das Gemeinwesen als Ganzes. Jugendarbeit ist ein Ort der Demokratie-Bildung, wo wertvolle Erfahrungen für die politische Sozialisation gemacht werden, was letztlich einen unersetzbaren Beitrag zur Stärkung der demokratischen Kultur darstellt.

Die auf Bundesebene angekündigten Kürzungen im KJP und bei den Freiwilligendiensten, die drohende Nullrunde beim Doppelhaushalt 2024/2025 für die Jugendarbeit in Bayern, das drohende Aus für das Sonderprogramm Ferienangebote, das Ende der Aktivierungskampagne, die zunehmende Unterfinanzierung der Ganztagesangebote sowie die vielerorts anstehenden kommunalen Kürzungen bei Jugendverbänden, Jugendringen und Einrichtungen der offenen Jugendarbeit sind mehr als beunruhigend.

Weder sind die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Jugendarbeit bereits überwunden, noch sind die gesellschaftspolitischen Herausforderungen kleiner geworden. Vielmehr sind wesentliche Aufgaben hinzugekommen wie beispielsweise die Begleitung einer großen Zahl von psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen, die pädagogische Begleitung der Klimakrise, die Integration von Geflüchteten und neue Herausforderungen im Bereich der politischen Bildung, um nur einige Beispiele zu nennen. Modellprojekte sind nützlich, um neue Methoden oder Ansätze auszuprobieren, was in den verschiedenen Fachprogrammen des BJR seit Jahrzehnten vorbildlich umgesetzt wird. Allerdings darf eine zeitlich begrenzte Projektförderung kein Ersatz für die Förderung von dauerhaften Aufgaben der Jugendarbeit sein – auch dies ist ein zentraler Aspekt von „Bedarfsgerechtigkeit“.

Daher beschließt die Vollversammlung des BJR folgende Forderungen:

  • Die Finanzierung der Jugendarbeit insgesamt muss sich prioritär an den Bedarfen und nicht der Haushaltslage orientieren. So ist die derzeitige Ausstattung des Kinder- und Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung in der Basisförderung und den Bereichen AEJ, JBM und bei den Fachprogrammen nicht mehr bedarfsgerecht, und neue Aufgaben sind hinzugekommen.
  • Die Ausstattung des Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung für den Doppelhaushalt 2024/2025 muss sowohl die tariflichen Steigerungen als auch die Inflation berücksichtigen, was zusammen mit den neu hinzugekommenen Aufgaben in der Förderung durch den BJR einen Aufwuchs um mindestens 5 Mio. Euro gegenüber dem Budget von 2023 erfordert.
  • Aufgrund der hohen Auslastung und mit Blick auf die kommenden Herausforderungen des GaFöG muss das Sonderprogramm Ferienangebote auch über das Jahr 2023 hinaus fortgeführt werden.
  • Die Förderung aller Ganztagsangebote muss kostendeckend gestaltet werden. Für den offenen Ganztag bedeutet dies eine Erhöhung der Pauschale um mind. 30%, für die Mittagsbetreuungen bedeutet dies eine Erhöhung der Pauschale um mind. 100%.
  • Zur Stärkung der Strukturen und zur Gewinnung von Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit ist eine Neuauflage der Aktivierungskampagne notwendig.
  • Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, sich vehement gegen eine Kürzung des KJP sowie gegen eine Kürzung der Mittel für die Freiwilligendienste einzusetzen, da dies drastische Auswirkungen auch auf die Jugendarbeit in Bayern haben wird.
  • Die bayerischen Kommunen werden aufgefordert, die Jugendarbeit mit ihren Strukturen und Maßnahmen vor Ort nicht als Sparpotential in ihren Haushaltsplanungen zu sehen, sondern im Gegenteil, gerade hier und jetzt für eine bedarfsgerechte Ausstattung vor Ort zu sorgen.
Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter